Oliver Blume führt mit Volkswagen Europas größten Autokonzern. Parallel ist er weiter verantwortlich für die Sportwagentochter Porsche, gibt hier den Chefposten aber demnächst ab. Letzteres wurde erst kürzlich bekannt gegeben, davor sprach Blume in einem aktuellen Interview mit der Deutschen Presse-Agentur über seine Strategie.
Die EU hat beschlossen, dass ab 2035 keine fossil betriebenen Neuwagen mehr neu zugelassen werden sollen. Dagegen wehren sich zunehmend Branchenvertreter und Politiker. Für den Volkswagen-Konzern sei maßgebend, in welchem Zeitrahmen die CO2-Ziele realistisch erreicht werden können – losgelöst von Ideologien und mit Fokus darauf, was die Kunden wollen, sagte Blume zu dem Thema. Er betonte: „Wir sehen die Elektromobilität ganz klar als die Zukunftstechnologie – und wir erachten die Dekarbonisierung als wesentliche Verpflichtung unserer Gesellschaft.“
Blume ist seit 2022 Volkswagen-Chef, Porsche-CEO schon seit 2015. Den Stuttgarter Sportwagenbauer wollte er frühzeitig auf Elektroautos konzentrieren, bremst die Offensive aber nun. Alle politischen Prognosen zum Hochlauf der Elektromobilität seien in der Vergangenheit zu optimistisch gewesen, erklärte der Manager. „Wir benötigen regelmäßige Realitäts-Checks, wie sich der Markt entwickelt und was das für die Vorgaben bedeutet.“
Neben attraktiven Produkten müssten die Rahmenbedingungen passen. „Wir müssen in der Ladeinfrastruktur nachlegen, gerade im städtischen und ländlichen Raum. Wir brauchen günstigere Ladestrompreise. Und wir benötigen überzeugende Förderkulissen“, so Blume. Alle Faktoren müssten stimmen, damit Akzeptanz und Nachfrage weiter steigen. Der Volkswagen-Konzern sei bereit, aktuell werde bereits jedes fünfte Fahrzeug des Unternehmens elektrisch angetrieben.
Die Autoindustrie sei ein enorm wichtiger Teil der deutschen Industrielandschaft, unterstrich der Volkswagen-Chef. Beim jüngsten Autogipfel von Politik und Branche seien „gute Impulse“ gesetzt worden, auch mit dem Koalitionsvertrag. Jetzt gehe es darum, die Ankündigungen in die Tat umzusetzen. Es sei wichtig, dass Deutschland regulatorisch eine klare und gemeinsame Linie vertritt.
„Wir brauchen mehr Flexibilität beim Erreichen der Ziele“
„Wir wollen den Erfolg der Elektromobilität“, versicherte Blume. „Wir brauchen aber mehr Flexibilität beim Erreichen der Ziele. Das müssen wir in Brüssel geschlossen vertreten, denn Europa schaut auf Deutschland. Wir sind das Autoland Nummer eins und deshalb hat unsere Stimme und Haltung ein besonders großes Gewicht.“
Porsche war jahrelang einer der Gewinnbringer von Volkswagen. Auch das erste Elektroauto der Marke, der als Sportlimousine und Kombi erhältliche Taycan, schien sehr gut zu laufen. Zuletzt ist die Nachfrage aber stark zurückgegangen. Blume hat deshalb beschlossen, dass Porsche doch noch länger auf Verbrenner setzt und die Umstellung auf E-Autos langsamer angegangen wird. Dennoch sagte er: „Die Elektromobilität funktioniert hervorragend. Vielleicht ist Porsche sogar der erfolgreichste traditionelle Hersteller in der Transformation, mit allein 56 Prozent elektrifizierten Fahrzeugen in den ersten neun Monaten in Europa.“
Jedoch sehe man sehr unterschiedliche Entwicklungen in den Weltregionen. „Deshalb haben wir mit Blick auf die Wünsche unserer Kunden entschieden, unser Angebot um zusätzliche Verbrenner- und Plug-in-Hybrid-Modelle zu erweitern. Ergänzend zur E-Strategie.“ Das belaste kurzfristig die Finanzen, sei aber mittel- und langfristig sinnvoll. Es gehe jetzt darum, die Produktpalette gezielt zu erweitern und „mit konsequenter Kostenarbeit“ eine noch bessere Position für die Zukunft zu erarbeiten. In der Automobilindustrie gebe es auch mal stürmische Zeiten, „aber wir haben einen klaren Plan“, so der Manager.
„Der Welthandel wird nicht so zurückkommen, wie wir ihn über Jahrzehnte erlebt haben“, glaubt Blume. „Wir müssen aus der Komfortzone heraus.“ Nach vorn geblickt habe Deutschland aber auch große Chancen, der Standort großes Potenzial. Es sei eine Gemeinschaftsaufgabe von Politik, Unternehmen und der Gesellschaft. „Jetzt geht es darum, die Ärmel hochzukrempeln. Zugleich bin ich überzeugt, dass Europa den eigenen Markt passend fördern muss.“
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