Europäische Städte und mehr als 75 zivilgesellschaftliche Organisationen warnen vor den Folgen einer geplanten Angleichung europäischer Fahrzeugstandards an die deutlich niedrigeren Vorgaben der USA.
In einem offenen Brief an EU-Abgeordnete fordern Städte wie Paris, Brüssel und Amsterdam eine Überprüfung des im Sommer abgeschlossenen Handelsabkommens mit den USA, in dem die EU erklärt hatte, sie „beabsichtige“, US-Standards anzuerkennen. Die Unterzeichnenden warnen: Eine solche Entscheidung würde die führende Rolle Europas in den Bereichen Verkehrssicherheit, Gesundheitsschutz, Klimapolitik und Wettbewerbsfähigkeit untergraben.
Im Zentrum der Kritik steht die Verkehrssicherheit. Während die EU seit 2010 durch strengere Fahrzeugvorschriften eine Reduzierung der Verkehrstoten um 36 Prozent erreicht hat, stiegen die Todeszahlen in den USA im gleichen Zeitraum um 30 Prozent – bei Fußgängerunfällen sogar um 80 Prozent, bei Radfahrerunfällen um 50 Prozent. Die EU schreibt unter anderem lebensrettende Systeme wie automatische Notbremsungen und Spurhalteassistenten vor. Auch grundlegende Anforderungen wie Knautschzonen oder das Verbot scharfer Kanten an Fahrzeugfronten gelten bereits seit Jahren – und machen Modelle wie den Tesla Cybertruck auf dem europäischen Markt bislang unzulässig.
„Europa hat sich durch robuste Fahrzeugstandards einen Ruf erarbeitet. Niedrigere US-Standards zu akzeptieren, würde Jahrzehnte europäischer Fortschritte zunichtemachen“, warnen die Unterzeichner des Briefes. Sie fürchten tiefgreifende Konsequenzen für die Sicherheit auf Europas Straßen.
Auch die Luftqualität und damit die öffentliche Gesundheit könnten unter einer Angleichung leiden. Während die EU plant, ab 2026 neue Grenzwerte für Schadstoffe aus Reifen- und Bremsabrieb einzuführen, lockern die USA ihre Abgasvorschriften. Eine Übernahme der US-Standards würde die Belastung der europäischen Bevölkerung mit Schadstoffen erhöhen, die mit Asthma, Krebs sowie Herz-Kreislauf- und neurologischen Erkrankungen in Verbindung gebracht werden, so die Unterzeichner des Briefs.
Die geplante Regelung birgt laut dem Schreiben zudem Risiken für Arbeitsplätze in der EU. Große europäische Hersteller wie BMW, Mercedes und Stellantis produzieren bereits zahlreiche Fahrzeuge in US-Werken nach europäischen Standards. Würden jedoch die US-Standards auch in Europa zugelassen, könnten diese Werke Fahrzeuge nach den niedrigeren Vorgaben produzieren und in die EU exportieren. Das würde den Produktionsstandort EU schwächen und Arbeitsplätze gefährden – nicht nur in der Fahrzeugfertigung, sondern entlang der gesamten Lieferkette.
Bestehende Schlupflöcher beim Fahrzeugimport sind laut den Kritikern ein weiteres Problem. Derzeit gelangen demnach Tausende übergroße US-Pick-up-Trucks mithilfe des Individual Vehicle Approval (IVA) auf europäische Straßen, ohne den strengen EU-Vorgaben für Sicherheit, Emissionen und Klima zu entsprechen. Die EU-Kommission arbeitet bereits an einer Verschärfung dieser Bestimmungen. Eine generelle Anerkennung der US-Standards würde laut den Organisationen jedoch „die Schleusen öffnen“ für den massenhaften Import solcher Fahrzeuge.
Abschließend fordern die Unterzeichnenden des Briefes die EU-Gesetzgeber auf, der Absicht zur gegenseitigen Anerkennung der Fahrzeugstandards im gemeinsamen Statement mit den USA entschieden entgegenzutreten. Zudem müsse öffentlich klargestellt werden, dass die europäischen Fahrzeugstandards „nicht verhandelbar“ seien.
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