Die Autoindustrie, jahrzehntelang eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft, verliert an Glanz. Die Herstellung von Kraftfahrzeugen trägt noch immer mehr als 4,5 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei. Rund 3,2 Millionen Menschen hängen direkt oder indirekt von der Branche ab, 1,2 Millionen davon in der Produktion. Doch die Nachfrage nach neuen Autos, vor allem Verbrennern, sinkt weltweit, während deutsche Hersteller Marktanteile verlieren und zunehmend im Ausland produzieren.
2014 wurden in Deutschland noch 5,6 Millionen Autos hergestellt, 2024 waren es weniger als 4,1 Millionen, berichtet n-tv von einer Studie der Beratungsfirma IW Consult. Diese Entwicklung trifft auch die Zulieferbetriebe hart. In den 2010er-Jahren feierte die Branche noch Absatzrekorde, nun aber droht ein anhaltender Arbeitsplatzabbau. Die Berater schätzen, dass bis 2030 netto rund 90.000 weitere Stellen verloren gehen könnten.
Am stärksten betroffen sind bestimmte Regionen, die traditionell stark von der Autoindustrie abhängen. Von den 400 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten haben 116 einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Beschäftigten in der Autoproduktion – besonders in Bayern und Baden-Württemberg. Dort arbeiten rund 858.800 Menschen, das sind fast drei Viertel aller Beschäftigten in der Fahrzeugproduktion. Mehr als die Hälfte der Wertschöpfung der deutschen Autoindustrie entsteht in 116 von den Branchenkennern identifizierten Wirtschaftszentren, die sich historisch um große Hersteller gebildet haben.
Besonders hohe Beschäftigungsanteile verzeichnet die Analyse am Hauptstandort von Volkswagen in Wolfsburg, in der Audi-Heimat Ingolstadt und im Landkreis Dingolfing-Landau mit seinem BMW-Werk – mit mehr als 40 Prozent der Beschäftigten in produktionsnahen Betrieben der Autoindustrie. Insgesamt sind etwa 47.000 Unternehmen an der Herstellung eines Autos beteiligt, vom Maschinenbau über die Metallverarbeitung bis zur Elektroindustrie.
Elektrifizierung verändert die Autoindustrie
Mit dem Wandel zur Elektromobilität stehen viele dieser Betriebe unter Druck. „Wenn Sie sich die technologische Entwicklung anschauen, dann ist es völlig unumgänglich, dass die überwiegende Mehrheit bei den Neuzulassungen bis 2035 sowieso elektrisch sein wird“, sagt Branchenexperte Hanno Kempermann gegenüber n-tv. Selbst wenn das EU-weite Aus für fossil betriebene Verbrenner ab 2035 gelockert würde, sei der Trend nicht mehr aufzuhalten.
Insgesamt haben die Analysten 36 Landkreise identifiziert, in denen der fossile Antrieb bisher ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Besonders betroffen sind Salzgitter, der Saarpfalz-Kreis, Bamberg und Kassel – Standorte, an denen Volkswagen und Bosch Komponenten für Diesel- und Benzinmotoren herstellen. Im Saarland hängen 18.834 Jobs direkt an fossilen Antrieben, in Baden-Württemberg 55.418 und in Bayern 46.913.
In diesen Regionen wurden lange hohe Gewinne erzielt. Noch heute steht die dortige Produktion für 75 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung – rund 1,9 Prozent der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung. Auch viele technische Innovationen stammen aus diesen Zentren, darunter Patente rund um den Elektroantrieb. Doch der Wandel bedeutet tiefgreifende Einschnitte. „Das wird ein begleiteter Strukturwandel werden müssen wie in anderen Branchen auch“, so Kempermann. „Aber ja: Der Übergang ist hart und schwer.“
Neue Chancen
Gleichzeitig entstehen neue Chancen. Der Anteil der Beschäftigten, die an der Elektrifizierung des Antriebsstrangs arbeiten, ist zwischen 2021 und 2025 von 5,4 auf 9,2 Prozent gestiegen. Bundesweit sind laut den Beratern inzwischen rund 182.000 Menschen in sogenannten „Chancenfeldern“ tätig – ein Zuwachs von 46 Prozent gegenüber 2021. Die meisten dieser neuen Jobs entstehen im Bereich Elektrifizierung, aber auch durch die Themen Automatisierung und Vernetzung.
Die regionale Verteilung dieser neuen Tätigkeiten folgt bekannten Mustern: 68 Prozent der Stellen liegen in Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen. Allein in den Autohochburgen Stuttgart, Wolfsburg und Ingolstadt arbeiten rund 40.000 Menschen in zukunftsweisenden Segmenten der Branche. Die großen Standorte bleiben also zentrale Motoren des Wandels, während kleinere Zulieferbetriebe um ihre Zukunft kämpfen.
Viele dieser Firmen könnten gezwungen sein, sich neu zu orientieren. „Maritime und Verteidigungstechnologie, Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt, erneuerbare Energien: Das sind alles Branchen, in denen die Kompetenzen von Automobilherstellern gefragt sind“, erklärt Kempermann. Der Fachkräftemangel eröffne zudem neue Perspektiven für Beschäftigte, die von der Transformation betroffen sind.
Allerdings wächst der Anpassungsdruck. Nach Einschätzung von IW Consult hat die deutsche Autoindustrie durch das lange Festhalten an fossiler Technik wertvolle Zeit verloren. „Wir diskutieren nun schon seit über zehn Jahren über Elektromobilität. Die Technologiesprünge sind gerade atemberaubend“, sagt Kempermann. „In den nächsten zehn Jahren muss man attraktive E-Mobilität anbieten, sonst ist man einfach raus.“
Automobile Magazine-Germany





































































































