Carlos Tavares hat den Stellantis-Konzern auf Rentabilität getrimmt und dazu eine aggressive Kostenstrategie verfolgt. Weil er dabei nach Meinung vieler zu weit gegangen ist und sich das Autounternehmen doch nicht so gut entwickelte, musste er 2024 den Chefposten abgegeben. In einem Buch rechnet der Branchenveteran mit seinem früheren Arbeitgeber, der Branche und der Politik ab.
„Der größte Fehler der Europäischen Kommission war es, sich nach dem ‚Dieselgate‘ von 2015 an der europäischen Automobilindustrie zu rächen, anstatt nur Volkswagen anzugehen, das bei den CO₂-Emissionen seiner Motoren betrogen hatte“, so Tavares laut der Automobilwoche. „Sie (die EU-Kommission) wurde dogmatisch und hörte den Herstellern überhaupt nicht zu.“
Die Lösung hätte nach Ansicht des 67-jährigen Portugiesen darin bestanden, den Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor schrittweise entsprechend ihrer CO₂-Emissionen zu verbieten und eine schrittweise Erhöhung des Anteils von Elektrofahrzeugen vorzuschreiben.
Mit Blick auf den wachsenden Einfluss chinesischer Unternehmen in Europa schreibt Tavares: „Indem Europa die Nachfrage ausschließlich auf Elektroautos beschränkt hat, hat es chinesischen Herstellern Tür und Tor geöffnet.“ Die zum Schutz der heimischen Industrie eingeführten EU-Zölle auf in China gebaute Stromer würden nicht funktionieren. Der Vorsprung der Volksrepublik bei Batterien sei schon erheblich und die Unternehmen hätten noch mehr zu bieten. „Europa hat ihnen den europäischen Markt und seine Industrie auf dem Silbertablett serviert“, so Tavares.
Stellantis-Zukunft laut Tavares unsicher
Stellantis ist einer der größten Autohersteller Europas und vereint 14 Marken, darunter den deutschen Autobauer Opel. Der frühere Konzernchef zweifelt in seinem Buch, dass die Gruppe auf Dauer bestehen bleiben wird. Er befürchte, „dass das Gleichgewicht zwischen Italien, Frankreich und den USA zerbrechen könnte“. Das Überleben des Konzerns als eigenständiges Unternehmen werde davon abhängen, dass das Management „jeden Tag“ auf Einheit achte.
Im Interview mit Le Point schildert Tavares seine Version des Abgangs bei Stellantis im Dezember 2024. Verwaltungsratspräsident John Elkann sei nicht einverstanden mit seinem Kurs gewesen. Stellantis habe sich entscheiden müssen: „Entweder die Produktion von Elektroautos zu bremsen, wie es alle jammernden Hersteller taten, die erklärten, dass sie es nicht schaffen würden, oder ihre Bremsmanöver zu nutzen, um zu beschleunigen und die Führung im Wettlauf um die Elektromobilität zu übernehmen.“ Er habe sich für die zweite Variante entschieden, der Strategieplan sei aber im Verwaltungsrat auf Kritik gestoßen.
„An einem Abend im Dezember, als ich auf der Rennstrecke von Estoril in Portugal war, rief mich John Elkann an und sprach von einem Vertrauensverlust mir gegenüber. Vertrauen ist gegenseitig … Also habe ich Elkann gesagt, dass es besser wäre, wenn wir uns trennen. Die Vereinbarung wurde innerhalb von 48 Stunden ausgehandelt, und mein Ausscheiden wurde am Ende des Wochenendes bekannt gegeben.“
Seinen konsequenten Fokus auf die Kosten verteidigte Tavares, auch wenn dies häufig zu Arbeitsplatzabbau führte. „Das sind die idiotischen Vorurteile der europäischen Gesellschaft, die leugnen, dass Kostensenkungen für das Überleben eines Unternehmens unerlässlich sind.“ Um wettbewerbsfähig zu sein, benötige man Innovation. Diese finanziere man durch die Produktivität jener Technologien, die man bereits beherrsche. „Wenn man sehr gut darin ist, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor herzustellen, senkt man die Kosten für diesen Bereich, um Innovationen im Bereich der Elektromobilität zu finanzieren.“
Automobile Magazine-Germany






































































































