Christoph Strecker, Chef des europäischen Schnellladeanbieters Ionity für die DACH-Region, beschreibt im Gespräch mit dem Merkur die Entwicklung der Ladeinfrastruktur in Deutschland. Auf die Frage nach einem flächendeckenden Netz antwortet er differenziert und sagt, man könne dies mit „Jein“ beantworten.
Während Autobahnen durch frühere Schwerpunkte inzwischen sehr gut versorgt seien, bestehe in Städten weiterhin deutlicher Nachholbedarf. Künftig wolle Ionity deshalb verstärkt urbane Standorte erschließen, um Menschen ohne eigene Wallbox besser zu erreichen.
Bei der Wahl neuer Standorte rückten Supermärkte stärker in den Fokus. Tankstellen seien aus Platzgründen häufig schwierig umzurüsten, zudem bauten große Mineralölkonzerne eigene Netze auf. Supermärkte böten hingegen natürliche Aufenthaltszeiten von rund 20 bis 30 Minuten – ideal, um das Laden mit dem Einkauf zu verbinden.
Ionity plant laut Strecker, die Ladeleistungen weiter zu erhöhen und ab dem kommenden Jahr 600 kW anzubieten, wodurch sich Ladezeiten auf etwa zehn bis zwölf Minuten verkürzen sollen. Noch unterstützen allerdings keine Elektroautos in Deutschland eine so hohe Ladeleistung.
Auch Supermärkte setzen zunehmend auf Schnellladeinfrastruktur. Obwohl Autos im Durchschnitt noch keine Dauerleistungen von 350 kW erreichen, komme der Trend eindeutig in Richtung schnelleres Laden, so der Ionity-Manager. Die durchschnittlichen 27 Minuten Einkaufszeit passten gut zu HPC-Angeboten (High Power Charging), während neue 800-Volt-Fahrzeuge künftig deutlich höhere Leistungen abrufen könnten.
Eine Herausforderung für Anbieter wie Ionity ist die technologische Entwicklung. Neue Modelle erreichen bereits im Mittel 250 bis 300 kW und Spitzenwerte von mehr als 450 kW. Ladeinfrastruktur müsse daher langfristig geplant werden, um künftige Anforderungen abdecken zu können, sagt Strecker. Zugleich müsse sie zur Aufenthaltsdauer am Standort passen, um unpraktische Situationen zu vermeiden.
„Deutschland steht gut da“
In der EU stehe Deutschland gut da. Der Anteil von Gleichstrom-Ladepunkten (DC) an allen Ladepunkten sei überdurchschnittlich hoch, und besonders im HPC-Bereich wachse die Infrastruktur stark. Da zugleich regionale Überangebote entstanden seien, gehe Ionity beim weiteren Ausbau inzwischen gezielter vor.
Im Bestand finden sich viele ältere 50-kW-Säulen, deren Infrastruktur heute überholt ist und die kaum genutzt werden. Ionity tausche veraltete Standorte aus, wenn technik und Ersatzteile nicht mehr zeitgemäß sind, erklärt Strecker. Ein großer Teil der Materialien – insbesondere Elektronik und Kupfer – werde recycelt. In der Regel erfolge nach etwa zehn Jahren ein Austausch, oft ausgelöst durch neue gesetzliche Anforderungen.
Am Recycling selbst forsche Ionity nicht, arbeite aber eng mit den Lieferanten zusammen, betont Strecker. Funktionstüchtige Komponenten alter Anlagen würden, wenn möglich, in anderen Ladeparks weiterverwendet. Ein eigenes Team kümmere sich um Reparaturen und Instandhaltung.
Zum Thema Reichweite sagt der Ionity-Manager, dass Batteriezellen jährlich sieben bis acht Prozent Energiedichte gewinnen würden. Dies ermögliche eine Verdoppelung der Kapazität innerhalb von zehn Jahren. Viele heutige Modelle erreichten bereits reale 400 Kilometer. Entscheidend werde künftig jedoch das schnelle Nachladen sein, das in bis zu zwölf Minuten eine ähnliche Reichweite ermöglichen solle.
Zur Debatte einer neuen Kaufprämie für E-Autos äußert sich Strecker zurückhaltend. Die Förderung sei angesichts attraktiver Fahrzeuge und bestehender Ladeinfrastruktur nicht entscheidend. Prämien führten meist nur zu einem kurzfristigen Anschub und dazu, dass Kunden abwarten. E-Mobilität sei heute in der Gesamtkostenbetrachtung günstiger als Verbrenner, steigende CO₂-Preise verstärkten diesen Trend. Sinnvoll wären vor allem niedrigere Strombeschaffungskosten, um Schnellladen noch attraktiver zu machen.
Automobile Magazine-Germany






































































































